Info
~~ 2025 ~~
Wie geht es weiter?
Die bereits durchgeführten und geplanten Baumaßnahmen nehmen kein
Ende:
An der Jade wurde 2023 das Regasifizierungsschiff "Hoegh
Esperanza" in Betrieb genommen. Neben der Einleitung von Bioziden,
wurden ca. 1 Mio m³ Baggergut in der Zufahrtsbereich und Liegewanne
gebaggert und im Jaderevier verklappt. All das in unmittelbarer Nähe
von Saatmuschelanlagen und Kulturflächen der Muschelfischer. 2024 ging
es weiter mit den Vorarbeiten zu einem weiteren südlich gelegenen LNG
Terminal, mit 1,2 Mio m³ Baggergut für Zufahrtsbereich und Liegewanne.
Derzeit liegen die Planungen vor, für einen weiteren Terminalbau mit
insgesamt 6 Schiffsanlegern für LNG- aber auch Wasserstoffanlandungen
und CO2 Verschiffung. Hierfür muss erneut gebaggert werden, laut
Planungsunterlagen belaufen sich die Baggermengen auf insgesamt 5 Mio
m³. Für die Unterbringung dieser Baggergutmengen müssen im Bereich der
Außenjade neue Klappstellen eingerichtet werden. Da zusätzlich im
Fahrwasser sowie in allen Zufahrtsbereichen jährliche
Unterhaltsbaggerungen vorgenommen werden müssen (beim Jade-Weser-Port
fielen sie viel höher aus als erwartet), rechnen die Planer mit einer
Verklappungsmenge von bis zu 12 Mio m³ jährlich!
Die Planungen für
die Vertiefung der Ems sind weit fortgeschritten und sollen in Kürze
umgesetzt werden: 6,5 Mio m³ Baggergut fallen an, die zum Großteil auf
den Klappstellen mitten in der Ems verbracht werden sollen.
Die Verkabelung des Wattenmeeres ist schon
weit fortgeschritten, Norderney ist untertunnelt, Baltrum und
Langeroog folgen in Kürze. Insgesamt sind ca. 25 Kabeltrassen von
Offshore-Windparks an die niedersächsische Küste geplant. Ohne
Sedimentaufwirbelungen gehen auch diese nicht von statten.
Offshoreprojekte in Deutschland bis
2030 Quelle: Tennet, Stand Mai 2022

Und die Folgen?
Und die Folgen?

Im Grunde liegen 13 schlechte Jahre infolge hinter den
niedersächsischen Betrieben. Die Qualität und Stabilität der Kulturen
ist schlecht, die verlässliche Versorgung mit Jungmuscheln nicht
gegeben. Es konnten keine ausreichenden Rücklagen zur Deckung der
Betriebsausgaben für die 4 (5 bis 2024) Kutter gebildet werden. Somit
haben die Betriebe nur wenig Reserven und die Situation entspannt sich
voraussichtlich auch weiterhin nicht. 2011 war das letzte wirklich
gute Verkaufsjahr, es wurden 7.300 to zu einem guten Preis verkauft.
Seitdem liegen die Verkaufsmengen zwischen 1.000 to und knapp 4.000
to. Gerade für den damals 2018 eingestiegenen Norddeicher Jungfischer
sind es schwierige Voraussetzungen, um motiviert in die
Muschelfischerei zu starten - er gab 2023 auf!
Die
schleswig-holsteinischen Muschelfischer haben dahingegen die letzten
Jahre Rekordernten eingefahren. Wie kann es zu solch einem Unterschied
zwischen den Bundesländern kommen? Warum läuft die Muschelfischerei
schon seit Jahren in Niedersachsen so schlecht?
Frustrierend
ist insbesondere, dass in Niedersachsen keine Besserung in Aussicht
ist, im Gegenteil: der Zustand der Kulturen wird immer schlechter! Sie
sind instabil, verschlicken rasant und auch die Strömungsbedingungen
verändern sich permanent. Aber auch die Neuansiedlung von
Jungmuschelbänken bleibt zunehmend aus. Woran kann es liegen?
Die Gründe sind vielfältig: Zunehmende Baggerungen und Verklappungen
im niedersächsischen Küstenmeer, zahlreiche Kabelverlegungen für die
Anbindung von Offshore-Windparks aber auch zwischen den Nachbarländern
sowie die Hafenausbauten von Wilhelmshaven, Emden, Eemshaven, führen
zu zunehmendem Sediment in der Wassersäule, was für die Muscheln, die
sich filtrierend ernähren, Stress bedeutet. Zudem verschlicken die
Kulturen stärker, sie werden instabil und unproduktiv. Die
Einwanderung der Pazifische Auster bedeutet Nahrungskonkurrenz und es
wird auch vermutet, dass sich die größeren Austern von den Larven der
Miesmuscheln ernähren. Die Klimaveränderungen mit den milden Wintern
verhindern das Absterben von Fressfeinden in den kalten Monaten und
die heißen Sommer. Die zu warmen Frühjahre, heißen Sommer sowie die
Zunahme von mehrtägigen Stürmen aus Südwest, die auch noch früher im
Herbst auftreten, bedeuten großen Stress für die Muscheln bis hin zum
Absterben. Auch dieses Jahr vernichtete der Orkan "Zeynap" Ende
Februar alle noch verbliebenen Muscheln auf den Kulturen. Alles
Stellschrauben, an denen die Fischerei selber nicht drehen kann.
Die niedersächsischen Muschelfischer sehen mit Sorge in die
Zukunft: die eingeleitete Energiewende mit noch mehr Hafenausbauten
(LNG Terminals), noch mehr Kabel (massiver Ausbau der
Offshore-Windparks), noch mehr Flussvertiefungen (Ems, Weser)... und
diese fast ausschließlich an der niedersächsischen Küste. Alles
zusammen führt dazu, dass die Muschelfischerei in Niedersachsen
ernsthaft in Bedrängnis kommt!
Und so liegt es auf der Hand: Das schleswig-holsteinische
Wattenmeer ist ein Naturraum, das niedersächsische ein
Wirtschaftsraum!
~~ 2023 ~~
Dem einen den Schiet...
Das beherrschende Thema
dieses Jahres, welches uns monatelang beschäftigt hat und auch im
kommenden Jahr beschäftigen wird, ist die Errichtung des LNG-Terminals
mit einer Regasifizierungseinheit (FSRU) in Wilhelmshaven im
unmittelbaren Nahbereich von 3 Saatmuschelanlagen (SMA) auf der Jade
(400 - 1.300 m Entfernung).
All unsere, immer wieder
vorgebrachten, Bedenken gegen den Einsatz von Chlor als Biozid (Gift zum
Abtöten von Bewuchs in den Rohrleitungen, also auch Muscheln und Algen)
wurden von den Genehmigungsbehören und den Betreibern NPorts sowie
Uniper negiert. So werden jährlich fast 200 Mio. Kubikmeter
kontaminiertes Abwasser (darin alleine 35 t Chlor) - sogenanntes
"Prozesswasser" - in der unmittelbaren Nähe unserer
Jungmuschelkollektoren (SMA) eingeleitet. Dabei ist zu bedenken, dass
die SMA seinerzeit als nachhaltige Weiterentwicklung der
Muschelfischerei mit Fördermitteln des Umweltministeriums erforscht und
gefördert wurden.
Die Genehmigungen zum Betreiben des FSRU wurden im
Schnellverfahren kurz vor Weihnachten erteilt und stützen sich auf
Gutachten, die keinerlei Auswirkungen auf die Meeresumwelt betrachten.
Folglich wird auch auf jegliche Beweissicherung an den Muscheln,
Sedimenten und ortsfesten Organismen verzichtet, die Langzeitschäden
dokumentieren könnten; es werden lediglich Kontrollen des Wassers
(regelmäßige Eigenkontrollen durch den Betreiber sowie
Stichprobenkontrollen durch Behörden) an einigen Probenstellen
gefordert.
Unsere größten Bedenken sind, dass die Muscheln an
den Langleinen absterben bzw. sich gar nicht erst ansiedeln oder aber
durch die Einleitungen verursachte schädliche Substanzen akkumulieren -
schließlich sind wir Lebensmittelproduzenten! Und die Muscheln stellen
eine wichtige Nahrungsquelle für natürliche Prädatoren entlang der
Nahrungskette dar - in denen sich die Giftstoffe weiter anreichern
können.
Wir hätten uns seitens der Landesregierung einen anderen
Umgang mit unseren Belangen sowie eine frühzeitige Einbeziehung in die
Planung gewünscht.

Der ehemalige Umwelt- und Landwirtschaftsminister des Landes
Schleswig-Holstein, Robert Habeck, hat sich 2015 damit gebrüstet, den
sogenannten "Muschelfrieden", also die Verlängerung des
öffentlichrechtlichen Vertrages zwischen Muschelfischern und dem Land,
herbeigeführt zu haben. Ein wesentliches Kernstück war die Errichtung
von Saatmuschelanlagen, um den Druck der Besatzmuschelfischerei im
Nationalpark zu minimieren. Eine Maßnahme, die in Niedersachsen schon
10 Jahre zuvor ergriffen wurde. Mit der Errichtung des LNG Terminals in
Wilhelmshaven wird dieses Nachhaltigkeitsprojekt in Niedersachsen
konterkariert.
Auffällig ist, dass die Hauptlast der Energiewende
Niedersachsen betrifft: zusätzlich werden in den kommenden Jahren 25
Kabeltrassen zur Anbindung der geplanten Offshore-Windparks den
niedersächsischen Nationalpark Wattenmeer queren müssen. Mindestens
drei LNG Terminals sind geplant - zwei in Wilhelmshaven, im
unmittelbaren Nahbereich des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer
und eines in Stade.
In Schleswig-Holstein ist dahingegen ist nur eine
weitere Kabeltrasse geplant und das LNG Terminal in Brunsbüttel (ohne
Einsatz von Bioziden!!!) ist weitab vom Nationalpark. Die 62 Millionen
Euro Fördermittel für den Neubau von LNG-Tankern wurden feierlich durch
Herrn Minister Habeck einer Werft in Flensburg überreicht, unserer
Meinung nach dem Motto: Dem einen den Schiet, dem anderen den Profit!
Herr Habecks Wohnort liegt übrigens 20 km von der Werft entfernt - ein
Schelm, der Böses dabei denkt...
~~ 2022 ~~

Presseinformation
Energiewende auf Kosten der niedersächsischen
Küstenfischerei?
Die Fischerei ist eine der ursprünglichsten
Formen der Aneignungswirtschaft: es wird das entnommen, was
natürlicherweise nachwächst. Und bitte nicht mehr! Die Natur wird nicht
umgestaltet, es wird kein wachstumsförderndes Mittel eingesetzt, keine
Medikamente und kein zusätzliches Futter. Die niedersächsische
Küstenfischerei ist nachhaltig und darf deswegen schon seit Jahren das
international anerkannte MSC Nachhaltigkeitszertifikat führen. Viele
Auflagen und Bestimmungen hat sie hierfür zu erfüllen. Die
Küstenfischerei ist Teil der marinen Tradition Niedersachsens und ein
Anziehungspunkt für die vielen Küstenbesucher.
Mit jährlich 15 Mio.
m³ oder 200 Mio. handelsüblicher Schubkarren Baggergut aus den Mündungen
der Ems, Jade und Weser, die für die Hafenindustrie aufgenommen und im
Nahbereich der Küste wieder verklappt werden, müssen die hiesigen
Fischereibetriebe schon seit Jahren klarkommen. "Braune Suppe" schimpfen
die Fischer, "Gubbelwasser" in ihren Fanggebieten. Im niedersächsischen
Bereich des trilateralen Weltnaturerbes wird doppelt so viel gebaggert
und verklappt wie im übrigen Bereich zusammen! Das schon lange
geforderte und versprochene übergeordnete Sedimentkonzept lässt auf sich
warten.
Nun kommt die Energiewende! 8 GW Stromleistung von
Offshorewindparks haben wir derzeit. Bis 2030 sind 30 GW geplant, bis
2045 sollen es gar 70 GW werden. Was für eine zusätzliche Fläche soll im
Meer mit Windrädern verbaut werden? - Flächen, die der Fischerei
verloren gehen. Wie viele zusätzliche Kabel müssen an Land gezogen
werden, durch das Welterbegebiet Wattenmeer, durch die Fanggebiete der
hiesigen Küstenfischer?
Und nun auch noch die LNG Terminals! Allein
der geplante erste LNG Terminal in Wilhelmshaven verursacht 1 Mio. m³
zusätzliche Baggermengen für den Zufahrtsbereich und die Liegewanne.
Dauerhaft ist von „erheblichen“ Mengen die Rede. Hinzu kommen Entnahme
und Einleitung von Meerwasser, zurück allerdings erwärmt und mit
Bioziden - also Giften, die unerwünschten Bewuchs wie Muscheln,
Schnecken und Algen in den Leitungen abtöten. Und das im Nahbereich von
Muschelkulturen.
Wer kümmert sich um die Fischer? "Die können ja
ausweichen!" Aber wohin? In den benachbarten Regionen sieht es
schließlich nicht besser aus. Und ist das erwünscht? Eine
niedersächsische Küste ohne Kutter, ohne Krabben- und Muschelfischerei?
Wenn trotz Energiewende weiterhin eine lebendige Fischerei in den
Häfen erhalten bleiben soll, muss man trotz beschleunigter Verfahren
zusammen mit der Küstenfischerei Lösungen finden. Lösungen, die auch bei
dem derzeit erwünschten „neuen deutschen Tempo“ Platz für die
traditionellen umweltverträglichen Nutzungen lassen. Lösungen, welche
die ohnehin schon durch Corona und Treibstoffkrise arg gebeutelten
Fischereibetriebe weiterbestehen lassen.
Hier wünschen wir uns das
gleiche Tempo und Engagement wie bei der derzeitigen Energiewende! Die
Fischerei möchte gern aktiv an ihrer Zukunft mitarbeiten...
…bevor es
zu spät ist...
Oldenburg, den 24.05.2022

Dirk Sander
1. Vorsitzender
Verband der Kleinen
Hochsee- und Küstenfischerei
Im Landesfischereiverband Weser-Ems e.V. |
Manuela Melle
Geschäftsführerin
Niedersächsische Muschelfischer GbR
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