Biologie
Die Miesmuschel im Wattenmeer
Miesmuscheln (Mytilus edulis L.) sind in den Meeren der gemäßigten
Breiten der nördlichen Hemisphäre weit verbreitet.
Im Wattenmeer gehören sie zu den auffälligsten Bodenlebewesen
(Benthos). Die Miesmuschel wird auch Pfahl- oder Blaumuschel
genannt. Die Bezeichnung "Miesmuschel" entstammt dem
Plattdeutschen Wort "Mois" oder "Moos", wohl
wegen dem flächendeckenden Vorkommen dieser Muscheln in
Muschelbänken, die wie ein Moosbewuchs das Watt überziehen.
Eine weitere Erklärung bezieht sich auf die Byssusfäden,
die wie moosartige Büschel an den Muschelschalen hängen.
Die Miesmuschel gehört zu den zweischaligen Meeresmuscheln
(Bivalvia). Die Außenseite ihrer tropfenförmigen glatten
Schale ist bei jungen Muscheln bräunlich, bei älteren
schwarz-bläulich, die Innenseite perlmuttfarben. Sie kann
an unserer Küste bei einem Höchstalter von 10 Jahren
eine maximale Schalenlänge von 8 cm erreichen.
In der Schale geschützt befindet sich das weiche gelbliche
Muschelfleisch. Auffällig sind die großen paarigen
Kiemenlappen, mit denen sie Sauerstoff aus dem Wasser aufnehmen.
Das Meerwasser dient gleichzeitig der Nahrungsaufnahme, die Muschel
filtriert hieraus Plankton, Detritus sowie auch gelöste
organische Substanzen. Unverwertbares wird zusammen mit anorganischen
Schwebstoffen als Pseudofaeces ("Scheinkot") ausgeschieden
und mit Schleim fixiert. Dadurch bilden die Muscheln unter sich
ein Schlickpolster aus und tragen zu einer hohen Sedimentation
bei. Eine ausgewachsene Miesmuschel kann bis zu 2 Liter Wasser
pro Stunde durch ihre Kiemen pumpen, täglich bis zu 20 Liter.
Berechnungen zufolge sind die Miesmuscheln in der Lage, innerhalb
von 10 Tagen das Wasser des gesamten Wattenmeeres zu filtrieren.
An ihrem bräunlichen Fuß befindet sich die Byssusdrüse,
die ein fädiges Sekret ausscheidet, das im Wasser erhärtet.
Mit diesen Byssusfäden ist es der Muschel möglich,
sich am Untergrund oder auch an anderen Muscheln derart zu fixieren,
dass sie der starken Strömung im Watt standhalten kann.
Unter Zuhilfenahme der Byssusfäden kann sich die Muschel
auch kleinräumig fortbewegen.
Die Miesmuscheln im Wattenmeer sind an die extremen Bedingungen
des (periodisch überfluteten und trockenfallenden) Tidenbereiches,
wie Temperatur-, Sauerstoff- und Salzgehaltschwankungen, bestens
angepasst.
Ihr Bestand unterliegt im Watt einer enormen Dynamik. Bestandsreduzierend
wirken sich der intensive Fraßdruck durch Vögel, Krebse
und Seesterne sowie der gewaltige Einfluß von Stürmen
und Eisgang aus. Demgegenüber steht das außergewöhnliche
Reproduktonspotential durch starke Nachwuchsjahrgänge, die
insbesondere nach harten Wintern zu einer umfangreichen Wiederbesiedlung
der Watten führen.
Vermehrung
Miesmuscheln sind getrennt geschlechtlich. Zur Vermehrung kommt
es im Alter von ca. einem Jahr. Ein Weibchen produziert je nach
Ernährungszustand 5 bis 12 Millionen Eier. Diese werden
zeitgleich mit den Spermien der Männchen ins Wasser abgegeben,
wo es dann zur Befruchtung kommt. Diese Form der Reproduktion
ist temperaturabhängig und setzt mit Zunahme der Wassertemperatur
im Frühjahr ein, mit einem Maximum im Monat Mai. Bis zum
Oktober gibt es ein bis zwei weitere Laichereignisse.
Die weitere Larvalentwicklung ist ebenfalls stark temperaturabhängig.
Vom Ablaichen bis zur ersten Ansiedlung der jungen Larven können
wenige Wochen bis Monate vergehen. Bis zu einer Länge von
ca. 0,3 mm leben die jungen Larven freischwimmend (pelagisch)
in der Wassersäule. Dann erfolgt eine erste Ansiedlung an
meist fädigen Substraten (Seegras, Algen, Hydrozoen u. a.).
Die Muscheln können sich wieder vom Anheftungssubstrat lösen,
um nach einer erneuten pelagischen Phase einen neuen Standort
zu besiedeln. Dieses wiederholen die Larven solange, bis sie
nach einem zum Teil sehr weiträumigen Transport einen optimalen
Standort gefunden haben. Diese Besiedlungsstrategie schlägt
sich in einem räumlichen und zeitlichen Muster nieder: zuerst
werden die im Gezeitenbereich tiefergelegenen Bereiche besiedelt,
später im Jahr dann die höher gelegenen Wattflächen.
Durch ihr hohes Reproduktionsvermögen kann ein niedriger
Elternbestand genügend Nachkommen zur Wiederbesiedlung ausgedehnter
Wattbereiche produzieren. Bestimmender Faktor der Bestandsentwicklung
ist jedoch nicht die Larvenbildung sondern die Ansiedlung.
Muschelbänke
Nach einem "Brutfallereignis" können die Jungmuscheln
durch massenhafte Ansiedlung im Watt eine Muschelbank mit homogener
Altersstruktur ausbilden. Die Jungmuscheln können sich aber
auch in bereits bestehenden Altbänken mit Muscheln verschiedener
Jahrgänge ansiedeln und diese dadurch verjüngen.
Muschelbänke können im trockenfallenden Watt und auch
bis zu einer Wassertiefe von ca. 20 Metern vorkommen. Die Ausdehnung
der Muschelbänke und die darin enthaltene Muschelbiomasse
unterliegt starken Schwankungen. Eine Muschelbesiedlung kann
als flächendeckende Bank oder als Streusiedlung ausgestaltet
sein. Die Bankfläche umfaßt dabei das Gesamtareal.
Innerhalb der Muschelbank gibt es jedoch unbesiedelte Zwischenräume
und besiedelte Bereiche, die Muschelbeete. Auch die besiedelten
Muschelbeete können hinsichtlich der Muscheldichte stark
variieren. Maximal wurden bis zu 2000 Einzelexemplare pro Quadratmeter
gezählt. Die Muschelbeete unterscheiden sich auch hinsichtlich
ihrem Schillanteil und der Zusammensetzung mit anderen Muscheln.
Die Bestandserhebungen von Muschelbänken in Form von Biomasseschätzungen
sind dementsprechend schwer und auch nur von darin langjährig
geübten Personen annähernd genau durchzuführen.
Innerhalb eines Monats kann sich die Biomasse einer gesamten
Muschelbank alleine durch Größenwachstum und Gewichtszunahme
der Muscheln nahezu verdoppeln. Aussagen zu einem Ist-Bestand
an Muscheln sind demnach immer Momentaufnahmen und unter Vorbehalt
zu verwenden. Die Vorgehensweise der jährlichen Bestandserhebung
der trockenfallenden Muschelbänke im niedersächsischen Wattenmeer
wird in dem Vortrag der Biologin Winny Adolph, die über eine
langjährige Erfahrung im Muschelmonitoring verfügt, erläutert:
Dieser Vortrag hier zum runterladen: 2018 Miesmuschelmonitoring
Miesmuschelbänke gehören zu den produktivsten Biotopen überhaupt
und übernehmen mehrere Funktionen. Sie bieten als sekundärer
Hartboden einen Lebensraum für viele Arten der Begleitfauna
und -flora, die sich dort anheften. Weitere Arten besiedeln den
selbst ausgebildeten Schlickboden unter den Muscheln. Schließlich
werden die Muscheln auch zur Ernährung genutzt, insbesondere
von Seesternen, Krebsen und Seevögeln (v.a. Eiderenten,
Möwen und Austernfischern). Auf Grund der natürlichen
Bestandsschwankung der Miesmuschel spezialisiert sich jedoch
keine Art auf die Miesmuschelbank als alleinigen Lebensraum oder
Nahrungsquelle; ihre Arterhaltung wäre sonst gefährdet.
Die Pazifische Auster (Crassostrea gigas L.) breitet sich seit 1998 von Westen her im niedersächsischen Wattenmeer aus. Sie besiedelt zunehmend traditionelle Miesmuschelstandorte und beeinträchtigt zunehmend den Muschelfang von trockenfallenden Muschelbänken. Dr. Achim Wehrmann (Foschungsinstitut Senckenberg, Wilhelmshaven) erforscht den Austernbestand und mögliche Auswirkungen auf das Ökosystem.
Den Bericht des Forschungsprojekt der Niedersächsischen Wattenmeer-Stiftung: "Managment der Bioinvasion der Pazifischen Auster (Crassostrea gigas)" können sie hier runterladen: Bioinvasion.pdf (6 kb)
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