Die Miesmuschel (Mytilus edulis L.) ist ausgezeichnet
an ihren extremen Lebensraum im Wattenmeer angepaßt. Mit ihrer
dicken Schale kann sie lange Trockenfallzeiten überstehen. Mit
den Byssusfäden kann sie sich auch unter schwierigen Bedingungen
an vielen Standorten im Watt ansiedeln. Ihr enormes Reproduktionsvermögen
sichert ihren Fortbestand selbst nach einem nahezu vollständigen
Bestandsrückgang durch Stürme oder Eiswinter.
Miesmuscheln kommen sowohl in trockenfallenden als auch in ständig überfluteten
Bereichen vor. Sie bilden dort großflächige Ansiedlungen,
sogenannte Muschelbänke aus. Über 100 Standorte, die regelmäßig
von Wildmuscheln besiedelt sind, wurden im niedersächsischen
Wattenmeer ausgemacht.
Die Miesmuschelfischerei erfüllt alle Anforderungen an eine
nachhaltige und umweltschonende Nutzung; dies hat sie in ihrer langjährigen
Tradition hinreichend belegt. Es wird immer nur ein geringer Anteil
des vorhandenen Muschelbestandes, nach vorheriger Besichtigung und
Genehmigung durch das Staatliche Fischereiamt, befischt. Weniger
als 10 % der trockenfallenden Muschelstandorte werden fischereilich
genutzt. Diese Fischereiform unterliegt einer umfangreichen gesetzlichen
Regelung (Schonzeiten, Mindestgrößen u.a.). 34 % des Nationalparks „Niedersächsisches
Wattenmeer“ sind per Gesetz für die Muschelfischerei gesperrt.
Die Muschelfischer haben sich 1999 an der Erstellung des Miesmuschelmanagementplans
der Landesregierung aktiv beteiligt. Dieser wurde 2004 durch den
Bewirtschaftungsplan für die Miesmuschelfischerei abgelöst und im August 2009 überarbeitet für weitere fünf Jahre verabschiedet.
Seitdem verlängert sich der Bewirtschaftungsplan jeweils um weitere
fünf Jahre ggf. in überarbeiteter Form.
Auf diese Weise unterstützen die Fischer das Ziel, langfristig ökonomische
Erfordernisse und ökologische Zielvorstellungen im Nationalpark
konfliktlösend miteinander zu verbinden.
Die Nachhaltigkeit der Niedersächsischen Muschelfischerei wurde am 29.Oktober 2013 durch die Überreichung der MSC-Nachhaltigkeits-Zertifizierung bescheinigt. Nach rund zweijähriger Vorarbeit wurde die Nachhaltigkeit dieser Fischereiform von dem unabhängigen Zertifizierer MSC, das die höchsten internationalen Standards anwendet, anerkannt.
Dieses Zertifikat wurde in einem aufwendigen Verfahren überprüft und
im Dezember 2018 für weitere 5 Jahre verliehen. Dadurch wurde die
Nachhaltigkeit der Muschelfischerei in Niedersachsen erneut belegt und
anerkannt.
Die starke Zunahme konkurrierender Meeresnutzungen im niedersächsischen
Wattenmeer führt für die Fischereiwirtschaft zu zahlreichen
Nutzungskonflikten. So können sich die Anlage und der Betrieb
von Windparks und Hafenanlagen sowie die Vertiefung von Schifffahrtswegen
u. a. langfristig negativ auf die ökologischen Grundlagen und
den ungestörten Ablauf der Fischerei auswirken.
Das natürliche Vorkommen junger Muschelbänke im Watt unterliegt extrem starken Schwankungen. Die kontinuierliche Verfügbarkeit von Jungmuscheln ist jedoch für die Muschelzucht äußerst bedeutsam. Durch die Einwanderung der Pazifischen Auster, die mittlerweile alle bisherigen Miesmuschelstandorte im Watt besiedelt, ist die bisherige Nutzung der natürlichen Muschelbänke zur Gewinnung von Besatzmuscheln problematisch geworden.
Der Einsatz von Langleinen als künstliche Ansiedlungsmöglichkeit gewann zunehmend an Bedeutung. In den vergangenen Jahren wurden erste dahingehende Versuche durch den Betrieb David de Leeuw Muschelzucht GmbH in Zusammenarbeit mit Dr. Uwe Walter (Mytilamar) erforscht. Seit 2008 werden Langleinensysteme zur Gewinnung von Jungmuscheln unter kommerziellen Bedingungen in der Jade und seit 2009 auch versuchsweise in der Ems durch alle niedersächsischen Muschelfischereibetriebe genutzt. Einen Überblick über die Forschungsanfänge gibt Dr. Uwe Walter.
Zahlreiche Forschungs und Monitoringprojekte befassen sich mit dem Thema Muscheln im niedersächsischen Wattenmeer. Neuere Untersuchungen wurden im Rahmen der MSC Zertifizierung vorgenommen, sie werden hier vorgestellt. |