Konflikte
Die heutige Fischereiwirtschaft im niedersächsischen Wattenmeer
sieht sich mit zahlreichen konkurrierenden Meeresnutzungen konfrontiert.
Der Naturraum Wattenmeer wird zunehmend ein Nutzungsraum. Neben
den traditionellen nachhaltigen Nutzungen wie z. B. der Küstenfischerei,
mehren sich moderne raumbeanspruchende Nutzungen.
Auf der Grundlage der derzeit bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen
stehen den Fischereibetrieben keine ausschließlichen Fanggebietsansprüche
zu. Eine Ausnahme stellen die Kulturen der Muschelfischer dar,
denen langfristige Nutzungsrechte zugesichert werden. Die Muschelfischer
können jedoch bei der Besatzmuschelfischerei - ebenso wenig
wie ihre krabbenfischenden Berufskollegen - keine Nutzungsansprüche
geltend machen. Das Motto: “dort haben wir schon immer
gefischt und wollen es auch weiterhin tun”, gilt im Wattenmeer
nicht.
Als gravierende Nutzungskonkurrenten sind die Hafenanlagen und
deren Betrieb, die
fortschreitenden Baggerungen der Schifffahrtswege und die damit
verbundenen Verklappungen, sowie die geplanten Windparks mit
den dazugehörigen Kabelanbindungen ans Land zu nennen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass einzelne räumlich begrenzte
Baumaßnahmen wie z. B. die Eindeichung der Leybucht langfristige,
großräumige Veränderungen mit sich ziehen. Durch
den Bau des Leysiels kam es zu einer gänzlichen Umgestaltung
des Wattbereiches in der gesamten Osterems.
Die Muschelfischer fordern, dass solche langfristigen Beeinträchtigungen
vorab in den Bauplanungen berücksichtigt und möglichst
vermieden werden. Die vorrangig befürchteten Auswirkungen
lassen sich aus Sicht der Muschelfischerei wie folgt zusammenfassen:
» Fanggebietsverluste
Es kommt zu einem Wegfall von Fanggebieten, die Fangobjekte
werden abgetötet oder verscheucht. Ihre Nahrungsgrundlage
wird zerstört und es wird Muschel- und Fischbrut vernichtet.
Dieses erfolgt direkt durch Überbauung der Wattflächen
bzw. durch Fischereiverbot in bestimmten Bereichen (z.B. im Hafenbereich,
in Schifffahrtswegen oder über Kabeltrassen). Indirekt können
Fanggebiete durch groß- und kleinräumige Veränderungen
der Hydrologie und Morphologie und damit der Umgestaltung der
Wattsedimente verloren gehen. Es kann zu Prielverlagerungen kommen,
Wattflächen verschlicken, versanden oder werden gar abgespült.
Das Ansiedlungspotential für Miesmuscheln geht verloren.
» Minderung der Ertragsfähigkeit durch Umgestaltung
des Ökosystems
Durch die Baumaßnahmen sowie die Baggerungen und Verklappungen ändert
sich die Hydrographie und Sedimentologie im gesamten Wassereinzugsbereich.
Eine Veränderung der Strömungsverhältnisse kann
zu Erosion bzw. Sedimentation der bisheriger Muschelstandorte
sowie Kulturanlagen führen. Dadurch können sie als
Lebensraum für die Miesmuscheln unattraktiv werden. Zudem
kann es zur chemischen Verunreinigung der Sedimente und des Wassers
durch die Verklappung belasteten Baggerguts kommen.
Durch zusätzliche Materialdrift können Muschellarven,
Jung- und Altmuscheln „erstickt“ bzw. durch das zusätzliche
Filtrieren der Schwebstoffe derart geschwächt werden, dass
die Muscheln schlimmstenfalls absterben. Auch kann es zu einer
verstärkten Verschlickung und damit Erhöhung der Instabilität
der Muschelbänke gegenüber Strömung und Sturmeinwirkung
kommen.
» Erhöhung der Konkurrenz
Es kommt zur Verdrängung der angestammten Fischerei in
andere Fangbereiche und dadurch zur Erhöhung der Fangkonkurrenz
und Intensivierung der Fischerei in den verbleibenden Fanggründen.
Das betrifft sowohl die erhöhte Nutzungskonkurrenz zwischen
den Fischereisparten als auch innerhalb der Muschelfischerei.
» Beeinträchtigung durch zusätzlichen
Verkehr und Wartungsarbeiten
Es kommt zu Störungen beim Fischfang durch ein erhöhtes
Verkehrsaufkommen. Schwellwasser kann zu Schädigungen im
Bereich von Wildmuschelbänken wie auch von Kulturen führen.
Mit Zunahme des Schiffsverkehrs im Bereich des Wattenmeeres wird
auch die Gefahr potentieller Havarien erhöht, mit allen
nur erdenklichen Folgewirkungen bis zum völligen Erliegen
der Fischerei. Wartungsarbeiten können zu einem erneuten
Fangverbot in diesem Bereich führen, bzw. zu indirekten
Auswirkungen durch Materialdrift.
» Auswirkungen durch Schallwellen und elektromagnetische
Felder
Es gibt noch keine gesicherten Untersuchungen zu den Auswirkungen
von Schall- und elektromagnetischen Wellen auf die Muschellarven,
ihr Ausbreitungs- und Ansiedlungsverhalten. Negative Einflüsse
werden jedoch erwartet.
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